SHÖ – Mit dem Rüssel in Brüssel

Autor: Dr. Johann Schlederer


Entbürokratisierung: Es gibt viel zu tun!
Der neue Kommissar für Landwirtschaft und Ernährung, Christophe Hansen, hat bei seinen bisherigen Auftritten eine hoffnungsvolle Figur gemacht. Neben viel Verständnis für die Bedürfnisse der jüngeren Landwirte scheint ihm der Abbau unnötiger Bürokratie ein großes Anliegen zu sein. Noch bastelt er aber an der Formulierung seines offiziellen Fahrplanes. Dieser soll am 19. Februar unter dem Titel „Vision für Landwirtschaft und Ernährung“ von ihm selbst vorgestellt werden.

Es ist davon auszugehen, dass in seinem konkreten Zuständigkeitsbereich, beispielsweise GAP, hoffentlich viel von seinen Ideen und Visionen einfließen wird. Wünschenswert wäre natürlich auch, dass er auch bei indirekter Zuständigkeit Überzeugungskraft in seinem Kommissars-Kollegium besitzt, und zwar in den für uns relevanten Direktionen wie z. B. Tierschutz und Tiergesundheit oder im Umweltbereich, Stichwort Entwaldungsrichtlinie oder Industrie-Emissionsrichtlinie. Nicht zu vergessen die weltwirtschaftlichen Beziehungen, die von Handelskommissar Sefcovic verwaltet werden.

Neben der Kommission sollte er auch besser als sein Vorgänger Wojciechowski Überzeugungskraft in agrar-wünschenswerten Angelegenheiten gegenüber dem EU-Parlament und dem Rat der Regierungschefs haben. Die Hoffnung ist jedenfalls groß, dass den bisher wohlwollenden Äußerungen des Kommissars Hansen auch entsprechende Taten folgen werden.

Anti-Dumpingverfahren mit ersten Konsequenzen
Die Auseinandersetzung zwischen europäischer und chinesischer Autoindustrie hinterlässt bereits erste Spuren in der Schweinehaltung. Die Befürchtung liegt nahe, dass gegenseitige Beschuldigungen des Dumpings zwischen Brüssel und Peking nun zu unangenehmen Konsequenzen im Futtermittelbereich führen könnten. Lysin, die wichtigste Aminosäure in der für Österreich typischen, maisbetonten Mastration, wird fast ausschließlich in China hergestellt. Entsprechende Importe in die EU stehen vor der Einführung von Strafzöllen. Allein in Österreich werden diese immer wahrscheinlicher werdenden Antidumping-Maßnahme der EU-Kommission monatliche Mehrkosten von bis zu einer Million Euro für die heimischen Nutztierhalter bedeuten.

Hintergrund des Verfahrens ist die Klage des einzigen Lysin-Herstellers in der EU, ein französisches Unternehmern, welches mit dem billigen Mitbewerber aus China nicht mehr mithalten kann und daher Dumping vermutet. Der selbe Vorwurf kommt aus der französischen Autoindustrie, welche federführend zum Auslöser der Dumpinguntersuchung im PKW-Bereich beigetragen hat. Übrigens, Deutschland hat sich bei dieser Abstimmung enthalten, war also nicht für die Dumpinguntersuchung von chinesischen PKW-Herstellern.

Wie du mir – so ich dir!
Die gegenseitigen Dumpingklagen, mit noch offenem Ausgang, könnten bzw. werden sich u. a. auch nachteilig für EU-Schweinefleischexporte nach China auswirken.

Seit einem Jahr wirft China europäischen Mitgliedsstaaten vor, Preisdumping beim Schweinefleischexport nach China zu betreiben. Das heißt, Peking ist der Ansicht, dass europäische Lieferanten Schweinefleischprodukte im Land der aufgehenden Sonne zu günstigeren Preisen verkaufen als auf anderen Weltmärkten. Wenn die derzeit untersuchten drei Großexporteure aus Spanien, Holland und Dänemark in aufwändigen Verfahren – angeblich hat jedes dieser Unternehmen bereits mehr als eine Million Euro an Verfahrenskosten aufwenden müssen – den Vorwurf nicht ausräumen können, droht ein Strafzoll von 30 % oder mehr. Das wäre ein massiver Wettbewerbsnachteil gegenüber z. B. brasilianischem oder russischem Schweinefleisch.

Großer Brocken UKRAINE
Auch im Bereich internationaler Handelsbeziehungen warten auf die Landwirtschaft schwerwiegende Entscheidungen. Leider hat dbzgl. unser neuer Agrarkommissar nur bedingt Entscheidungseinfluss. Chefverhandler bei den für marktpreisrelevanten Handels- oder Freihandelsabkommen ist Handelskommissar Maros Sefcovic. Dem wurde bekanntlich von Präsidentin Ursula von der Leyen ein eindeutiger Auftrag auferlegt. Mercosur abschließen und entgegenkommend mit der Ukraine verhandeln.

Ein Tipp an Kommissar Hansen: Bitte versuchen Sie bei dieser schwierigen Ausgangslage wenigstens bei Soja die Gunst der Stunde zu nutzen und beeinflussen Sie die Verhandlungen dahingehend, dass der Ukraine auferlegt wird, mehr Soja für den EU-Markt zu produzieren. Damit könnte man die Abhängigkeit bei unserem wichtigsten Eiweißfuttermittel Sojaschrot von den Mercosurländern reduzieren. Damit wäre allen geholfen. Eine Überschwemmung mit ukrainischem Mais und Weizen könnte verhindert werden. Auch der Aufstand der EU-Landwirte könnte somit ebenso abgewendet werden. Der Slogan soll heißen: „Von der Kornkammer zur Sojakammer Europas!“

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