Autor: Dr. Johann Schlederer
Neue Initiative für mehr Agrarverständnis im EU-Parlament
Das EU-Parlament hat in den letzten Jahren hinsichtlich der Schaffung neuer EU-Gesetze maßgeblich an Einfluss dazugewonnen. Während man früher den Eindruck hatte, dass die EU-Kommission und der Rat alleinige Machthaber sind, entscheidet nun auch das EU-Parlament in substanziellen Fragen maßgeblich mit. Beim Trilogverfahren, wie zum Beispiel letztes Jahr im Zusammenhang mit der Letztentscheidung über die Industrieemissionsrichtlinie.
Wie berichtet, ging damals die Abstimmung knapp zu Ungunsten der bäuerlich produzierenden Landwirtschaft aus. Daher ist die Gründung einer neuen Initiative, der sogenannten „Sustainable Livestock Intergroup“, absolut begrüßenswert. Es handelt sich dabei um eine parteiübergreifende Initiative, die mehr agrarpolitisches Wissen und Verständnis ins EU-Parlament bringen soll.
Ein maßgeblicher Initiator bei der Gründung war der österreichische Abgeordnete Alex Bernhuber von der Fraktion der Europäischen Volkspartei sowie Maria Grapini aus Rumänien, welche der Fraktion S&D angehört, sowie der Belgier Benoit Kasart von der Fraktion Renew. Zusammen sind sie die Vorsitzenden der Anfang 2025 offiziell ins Leben gerufenen Initiative, die man übersetzt als „Nachhaltige Tierhaltung in der EU“ bezeichnen kann.
Die Zielsetzung dieser Intergruppe ist es, den EU-Abgeordneten eine Plattform zu bieten, um sowohl die Vielfalt der bestehenden landwirtschaftlichen Praktiken als auch neue Methoden und Technologien zur Unterstützung und Verbesserung der Tierhaltung zu diskutieren. Zusätzlich will man mit der Entwicklung von verständlichen Informationsmaterialien zur Sensibilisierung in der Lebensmittelproduktion beitragen. Durch den ganzheitlichen Ansatz soll den Abgeordneten ermöglicht werden, die Vorteile und Herausforderungen des Sektors besser zu bewerten und abzuwägen. In der Folge sollen aktuelle Debatten entpolitisiert werden und Wege für realistische, wissenschaftlich fundierte und nachhaltige Lösungen in der Tierhaltung gefunden werden.
Veranstaltungen im Plenum
Die Methode zur Wissensvermittlung an die Abgeordneten fußt primär auf Veranstaltungen, zu denen die Intergroup an Parlamentstagen einlädt. Das heißt, zu einem ca. 2-stündigen Vortragsevent werden Praktiker, Wissenschaftler und Experten aus ganz Europa zu einschlägigen Themen referieren, wie zum Beispiel heuer im Frühjahr zum Thema Tiertransport oder zuletzt zum Thema der Zukunftsperspektiven von europäischen Landwirten. Geschäftsführer DI Werner Habermann von der österreichischen ARGE Rind durfte dabei mit einem Referat einen wertvollen Beitrag leisten.
Beim nächsten Intergroup-Meeting, welches am 11. September 2025 in Straßburg stattfinden wird, wird ein Ernährungsthema behandelt. Dabei geht es um die Frage, welche gesundheitlichen Auswirkungen es für die Bevölkerung haben würde, wenn die Ernährung mit deutlich weniger tierischem Eiweiß vonstatten ginge.
COPA und Interpig arbeiten zusammen
Es ist kein Geheimnis, dass Brüssel das europäische Zentrum für Lobbyismus ist. Lobbyismus gilt als Schimpfwort, Interessenvertretung ist die akzeptiertere Schreibweise, die denselben Zweck verfolgt. Agrarpolitische Interessenvertretung in Richtung EU-Kommission wird nach wie vor primär von COPA und COGECA und den jeweiligen Arbeitsgruppen, wie zum Beispiel der Arbeitsgruppe Schwein, praktiziert. Darüber hinaus gab es bisher keine offiziellen Institutionen, die Lobbying für bäuerliche Interessen in Brüssel betrieben. So gesehen ist es äußerst begrüßenswert, dass die Initiative Intergroup ins Leben gerufen wurde und damit eine zweite Achse des bäuerlichen Vertretungspotentials, die über das EU-Parlament in Brüssel wirkt, begründet wurde.
Ukraineabkommen – indirekter Schaden für heimische Schweinebranche
Die Sorge der europäischen Agrarwirtschaft hinsichtlich einer Überschwemmung mit billigen und zu schlechteren Standards erzeugten Agrarprodukten aus der Ukraine hat zuletzt zum Abschluss eines neuen Abkommens zwischen der EU und der Ukraine geführt.
Schon vorher waren die Märkte der verschiedenen Branchen unterschiedlich betroffen, selbiges gilt auch für das neue Abkommen. Fest steht, dass im Vergleich zu anderen Branchen der Schweinesektor relativ unbeschadet davon betroffen ist. Trotzdem sind speziell für heimische Schweinebauern negative Effekte davon abzuleiten.
Zwar hält sich mit dem Kontingent von 45.000 Tonnen Schweinefleisch für den gesamten EU-Raum, das sind Zweitausendstel der EU-Produktion, die direkte Wirkung auf die Preise in der EU in Grenzen. Indirekte Wirkungen sind aus meiner Sicht deutlich größer, wie zum Beispiel die Importe von billigem Geflügelfleisch, welches auf Konsumentenebene permanent im Wettbewerb zum Schweinefleisch steht.
Die wesentlich größere indirekte Wirkung kommt vonseiten des Futtermittelmarktes. Durch den unstrittig wertmindernden Effekt bei Getreide und Mais werden die Futterkosten gesenkt. Für reine Futtermittelzukaufsmäster klingt das aufs Erste positiv. Da wir in Österreich aber 80 Prozent des Grundfutters auf den hofeigenen Feldern erzeugen, ist diese Entwicklung in der gesamtbetrieblichen Betrachtung nicht begrüßenswert. Gerade in den letzten drei Jahren hat sich in der Praxis bewiesen, wie positiv einkommenswirksam für die Masse unserer Schweinehalter es ist, wenn Getreide und damit die Grundfutternahrung für unsere Tiere hohe Marktpreise erzielen.
